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Er hatte sein Zimmer verlassen, in
dem nun seine Lampe still mit gelbem
Schein die Geräte beleuchtete, die alle
kostbar waren und aus fernen Ländern.
Die Möbel lehnten wie eigentümlich le-
bende, ganz versonnene Wesen an den
dunklen Wänden, die Farben und Blumen
der Stoffe schliefen. In langen, blinken-
den Reihen standen die gleichförmigen
Bücher, die von den Geschicken der
Völker handelten, der lebenden und der
längst vergangenen, — und andere standen
da, kleinere, bunte, voll goldener Linien,
die erzählten die Tage Einzelner, ihre
Träume und ihre Gedanken. — In
dunklen Rahmen und in ganz weißen
hiengen Bilder mit schlanken Gestalten
und ungeheuerlichen Wesen und großen
fremden Blumen, die nirgends blühen. —
Im Dunkel lag der Schädel eines Menschen
verborgen, daneben hing ein Kreuz aus
getriebenem Erz, daran wand sich der
Heiland in Todesqual. — Auf dem Tep-
pich, der das Gemach durchbreitete, hatten
einst Menschen gekniet und die Arme
flehend gespannt und ihr Antlitz erhoben
gen Morgen und hatten in heißen Worten
Bitten gesprochen und Wünsche. — Jetzt
schob sich träge mit leisem Krachen
eine große Schildkröte über die Ranken
und suchte den Schatten der Stühle. —
Draußen schlich der Wind müde und
schwer mit hängenden Gliedern durch die
leeren Straßen, wie alte Frauen abends an
ihren Stecken vom Walde heimschleichen,
er hielt an den Ecken an und hüstelte
und schaute auf den neuen Weg, wie
die alten Frauen anhalten, hüsteln und
mit blassen Augen die Weite messen;
auf den großen Plätzen gar wusste er
wenig von seinem Ziel, und die Müdig-
keit lockte ihn, sich zum Sterben zu legen.
Die Wolken oben am Himmel huschten
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unheimlich leise und schnell, und zwischen
ihnen und den Sternen hieng ein trauriges,
eintöniges Grau. Wohl brannten die
Laternen, aber ihre Flammen leuchteten
nicht, nur die verschobenen Schatten-
linien der Ständer und Gehäuse zitterten
auf den Steinen hin und her, wie die
grossen Spinnennetze oben an den Kalk-
decken hin und her zittern. — — —
Nur einem Menschen war der Wind
begegnet, der ging langsamen Schrittes
durch die verlassenen Straßen, an den
verschlossenen Häusern vorbei, die in die
regenschwere Nacht aufragten, so räthsel-
voll starr und stumm in ihrem Leben,
wie die hohen fremden Pflanzen in den
Treibhäusern. — In dem Geiste des Ein-
samen stieg auf dem langen Wege, den
er gieng, langsam das Bild der Menschen
auf, die dicht neben ihm, innen, in den
verschlossenen Häusern dalagen und
schliefen, mit gekrümmten Gliedern und
hässlichen Träumen; und der anderen,
die in Schlankheit ruhten mit einem
Lächeln an den Lippen und zitternden
Wimpern — fern von dieser Nacht, die
er lebte! die nicht gekommen war, mit
klaren, zarten Frauenhänden brennende
Schläfen zu kühlen und das große
Menschenherz damit zu bedecken, das
Herz, in dem so schwüle Traurigkeit von
Anbeginn sich presste! Ihn rührte ihre
unschuldige Entfernung vom Leben, und
die eigene Unrast und bange einsame
Empfindungen wogten in seiner Seele
und stiegen auf und stiegen nieder wie
die großen, gefangenen Meeresthiere in
den kleinen, künstlichen Wasserkäfigen.
Er kam auf eine Brücke, die sich in
feierlicher Ruhe weit über dunkles Wasser
bog. — Er neigte sich über ihre Brüstung
und starrte hinab — schwermütig spielte
der Spiegel mit dem Abbild der Dinge
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