Wiener Rundschau: Jg. 4, Nr. 10, S. 145

Les Muses quittent Apollon Über die Bewohnbarkeit der Sterne (Moreau, GustaveAdler, Prof. S.)

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Wiener Rundschau: Jg. 4, Nr. 10, S. 145

Text

ÜBER DIE BEWOHNBARKEIT DER STERNE.
Von Prof. S. ADLER (Wien).

Die Bewohnbarkeit der Sterne wird
vielfach angefochten. Aber diese Anfech-
tungen werden schwinden, da die Behelfe
immer zahlreicher werden, die uns die
Analogie der Weltkörper (Sterne) be-
zeugen. Freilich sind nicht alle bewohn-
baren Sterne bewohnt. Wir müssen
unterscheiden:

a) werdende Sterne,

b) gewordene Sterne,

c) vergehende Sterne.

Selbstverständlich ist die Annahme
gerechtfertigt, dass nur die Kategorie b
die Bewohnbarkeit oder Bewohntheit zu-
lasse. Die Mittel zur Erforschung der
Analogie der Sterne geben uns verschie-
dene wissenschaftliche Disciplinen an die
Hand; so die Physik mit ihren Zweigen
(Gravitationslehre, Mechanik, Thermik,
Optik), die Astrophysik oder Cosmologie
mit ihren Theilfächern (Cosmographie
und Cosmogenie) und die Biologie (ver-
gleichende Anatomie und Embryologie etc.).
Ist erst diese Analogie bewiesen, dann
ist es nicht einzusehen, warum bei
gleichen Lebensbedingungen, wie Tem-
peratur, Luftdruck, Wasser, Schwere etc.,
nicht auch die Sterne bewohnbar oder
bewohnt sein könnten? Allerdings werden
die Bewohner der bewohnbaren Sterne
nicht mit gleichen Attributen ausgerüstet
sein; sind doch die Anziehung, der Luft-
druck, die Licht- und Wärme-Verhält-
hältnisse, der klimatische Zustand etc.
nicht immer gleich.

Schon Cardinal v. Cusa sagte, dass
nach der heliozentrischen Lehre die Sterne
der Bewohner nicht entbehren. Freilich,
das lunarische Gebilde (der Erdenmond)
kann nicht bewohnt sein, da er ein Stern
der Art c, also ein absterbender, besser:
abgestorbener Weltkörper ist, dem Luft,
Wasser etc. fehlen. Nicht bloß die Pla-
neten-Gebilde, auch die Neben-Planeten
(Monde) und die Fixsterne (Sonnen)
können die mehrfach genannten drei

Bildungs-Phasen der Sterne (Welten)
durchmachen, ja müssen das, und können
sonach auch — in der Phase b bewohnt
sein. Wie lange aber jede dieser drei
Phasen bei den kosmischen (planetarischen,
lunarischen und solaren) Gebilden währt,
ist noch nicht oder nur approximativ
berechnet worden.

Schon vor Kepler, ja selbst im grauen
Alterthum gab es Denkende, die von der
Bewohnbarkeit der Sterne sprachen. So
Anaxagoras, Xenophanes, Lucret, Curus
und Andere.

Und bezeugen die Meteore durch ihre
chemische Beschaffenheit und Structur
die Bewohnbarkeits-Möglichkeit nicht?
Als Theile, die sich von Weltkörpern
losgelöst haben, beweisen sie, dass die
Stoffe aller Sterne gleichartig sind. Auch
die Mechanik bekundet diese Analogie;
am auffallendsten jedoch die Spectral-
Analyse, die in großartiger Weise, gleich
der Astro-Photographie, in den Dienst
der Stern-Erforschung gestellt wird. Mit-
telst dieser Analyse fand Frauenhofer
(1815), dass das Sonnen-Spectrum außer
den sieben Regenbogenfarben noch viele
schwarze Linien zeige; er zählte deren
an 600; D. Brwster zählte deren schon
2000; heute sind über 16.000 bekannt.
Das Verdienst der Deutung dieser
Linien haben Kirchhoff und Bunsen. Aus
der Zahl, Dicke etc. dieser Spectral-
Linien, die für gewisse Stoffe con-
stant auftreten, lassen sich die Stoffe
der fernsten Welten erkennen. So hat
uns die Spectral-Analyse (Spectroskop)
die Stoffwelt der Sterne erschlossen,
wie uns die Chemie die irdische Stoff-
welt erschließt.

Dass die Weltkörper (Sterne) in ihrem
Anfangs- und Endstadium (a und c) nicht
bewohnbar sein können, erhellt schon aus
den Zuständen in diesen beiden Stadien.
Da sie werdende, resp. vergehende kos-
mische Gebilde sind, mangeln ihnen die

Zitiervorschlag

Wiener Rundschau: Jg. 4, Nr. 10, S. 145, in: Wiener Rundschau Digital (1896–1901), herausgegeben vom Austrian Centre for Digital Humanities (ACDH), Wien 2025 (https://acdh-oeaw.github.io/wiener-rundschau-static/WR-04-10_n0145.html)