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wird eine Falte, eine Furche hervor-
gehoben oder sie verschwindet. Luft,
Licht und Farbe, das sind die drei
Dinge, mit denen es der Maler zu thun
hat. Er blickt auf schöne Farben, glän-
zende Lichter, warme Schatten — das,
was die Ähnlichkeit einer Person und
eines Bildes ausmacht, geht ihn auch
nicht im entferntesten an. Der wahre
Maler malt Menschen in nicht anderem
Sinne und Geiste, aus keinem anderen
Beweggrunde und mit keiner anderen
Absicht, als wie er eine schöne Land-
schaft malt. Er erglüht für die Schön-
heit dieser Landschaft und er erglüht für
die Schönheit dieses Menschen, aber dieses
Erglühen ist rein künstlerisch, rein objectiv,
gar nicht persönlich. Die Person, die er
da malt, geht ihn als Person, ais Mensch
gar nichts an, sie geht ihn nur als
malerischer Gegenstand an, ähn-
lich wie er bei einer Wiese, die er malt,
auch nicht darnach fragt, zu welchem
Dorf sie gehört, wem sie zu eigen sei,
oder bei einem Acker, den er malt, welche
Futterpflanzen darauf gebaut werden. Aus
diesem Grunde thut der Künstler sogar
gut, nicht eine Person, die er kennt,
Modell stehen zu lassen, oder wenigstens
erschwert er sich seine Arbeit dadurch
sehr, und je besser er diese Person kennt,
desto schwerer wird es ihm werden, ein
Kunstwerk, nicht nur ein Porträt, zustande
zu bringen. Denn er achtet alsdann nicht
auf das Malerische des Gegenstandes,
sondern auf die bekannte Person. Diese
Person wird alsdann nicht, wie es sein
soll, mit Luft, Licht und ihrer ganzen
Umgebung zu einem Gesammtbild, sozu-
sagen zu einem malerischen Stillleben,
sondern immer und immer schaut das
bekannte Gesicht heraus, und der Künstler
illustriert und photographiert und porträ-
tiert, aber er schafft nicht ein Kunst-
werk.
Alles dies ist eigentlich selbstverständ-
lich, und der wahre Künstler neigt auch
von sich aus dazu, es für selbstverständ-
lich zu halten. Aber das Publikum de-
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praviert ihn, es zieht ihn herab, es macht
den Künstler zum Handwerker, den Maler
zum Photographen: es verlangt Porträts.
Gerade das, was den Künstler und den
künstlerisch fühlenden Menschen allein
interessiert: das Malerische ist ihm
gleichgiltig, es will nur das Conterfei
haben. Frau X. oder Y. interessiert
das Publikum mehr als schöne Farben
oder interessante Beleuchtung; es will den
Herrn Z. an der Wand haben! Kürzlich
las man in einer Kunstzeitschrift die An-
sicht, dass es ein kunstverständiges Pub-
likum überhaupt gar nicht gebe. Wir
wollen diese Frage dahingestellt sein lassen.
Aber dass das die Ausstellungen be-
suchende Publikum gewöhnlich mehr per-
sönliche als künstlerische Interessen hat,
kann keinem Zweifel unterliegen. Aus
demselben Grunde ist es von einer Land-
schaft desto mehr gefesselt, je besser es
die dargestellte Landschaft kennt, und
immer werden nur solche Landschaften
gekauft, deren Urbild der Käufer selbst
kennt. Aus demselben Grunde kaufen
Fürsten gern Jagdbilder, Gourmands gern
ein Stilleben von Grützner. Jeder will
gern an seinen eigenen Bauch, an seine
eigene Person, an den Freund Z. oder
an die von ihm besuchte Landschaft
denken; zu dem reinen, unpersönlichen,
künstlerischen Interesse, zu dem Gefallen
an Luft, Licht und schönen Farben ver-
mag sich nur selten jemand aus dem
Publikum zu erheben. Dennoch muss
zugestanden werden, dass es in den letzten
Jahren besser geworden ist; die Secessionen
haben viel dazu gethan, für eine künst-
lerische Durchbildung des Publikums die
Vorbedingungen zu schaffen. Aber immer
noch sind wir nicht so weit, dass nicht
jeder beliebige Müller oder Meier aus
dem Publikum das Recht zu haben
glaubt zu der Behauptung, dass zum
Beispiel eine Landschaft niemals so aus-
sehen könne, wie sie auf diesem Bilde
gemalt sei, dass es in der Natur keine
solchen Farben gebe, wie sie auf jenem
Bilde dargestellt seien u. s. w.
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