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das man den »ersten Zufall« oder »das
vielleicht unerkennbare Wesen der Welt«
genannt hat.
X.
Wo befand sich das Mysterium der
Gerechtigkeit? Es erfüllte die Welt. Bald
lag es in den Händen der Götter, bald
umgab und beherrschte es selbst diese.
Man nahm es überall an, ausser im
Menschen. Es erfüllte die Himmel, belebte
die Felsen, die Luft und die Meere, be-
völkerte eine unerreichbare Welt. Jetzt
sucht man es endlich in seinen luftigen
Schlupfwinkeln auf, bringt seinen Wolken-
thron zum Wanken, prüft und treibt es
in die Enge, es verflüchtigt sich — und
in dem Augenblicke, wo wir glauben, es
sei verschwunden, erscheint es wieder
und behauptet sich in unseren Herzen!
Das ist wieder ein Mysterium, das sich
dem Menschen nähert und in ihm Gestalt
gewinnt. Denn wir werden fast immer
die letzte Zuflucht und die eigentliche
Wohnstätte der Mysterien, die wir ver-
nichten wollten. In uns finden sie endlich
den sicheren Herd, den sie im ersten
Jugendtaumel verlassen hatten, um den
Weltenraum zu durchstreifen, und in uns
müssen wir sie auch wieder aufnehmen,
vereinigen und befragen. Es ist fürwahr
ebenso wunderbar, ebenso seltsam und
unerklärlich, dass der Mensch in seinem
Herzen einen unerschütterlichen Gerechtig-
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keits-Instinct hat, wie: dass die Götter
oder die Kräfte des Weltalls gerecht sein
sollten. Es ist ebenso schwierig, das Wesen
unseres Gedächtnisses, unseres Willens,
unseres Verstandes zu ergründen, wie
das der gleichen Eigenschaften bei den
unsichtbaren Mächten oder Naturgesetzen;
und wenn uns das Unbekannte oder Un-
erkennbare nöthig ist, um unsere Wiss-
begier zu veredeln, wenn wir des Un-
endlichen und des Mysteriums bedürfen,
um unseren Lebensdrang zu mehren,
so verlieren wir keinen Tropfen des
Unbekannten oder Unerkennbaren, indem
wir den großen Strom endlich in sein
ursprüngliches Bett zurückleiten, noch ver-
sperren wir uns einen der Wege zum
Unendlichen oder schmälern das anfecht-
barste der wirklichen Mysterien um einen
Zoll. Was man dem Himmel nimmt,
findet man im Menschenherzen wieder.
Aber Mysterium gegen Mysterium: ziehen
wir stets das Gewisse dem Zweifelhaften
vor, das Naheliegende dem Fernen, das
in uns Liegende, das uns gehört,
Dem, das außer uns lag und einen
höchst verhängnisvollen Einfluss auf uns
hatte! Mysterium gegen Mysterium: be-
fragen wir nie mehr die Botschafter,
sondern stets den Herrn, der sie sandte,
befragen wir nie mehr Die, welche bei
den ersten Fragen flohen, sondern unser
eigenes Herz, das Antwort und Frage
zugleich enthält und sich vielleicht eines
Tages der Antwort entsinnen wird
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