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Jede religiöse Anschauung, die nicht
auf der Lehre vom Karma, d. h. der logischen
Fortentwicklung der Wiedergeburten aus
der Prä-Existenz bis zu höheren Daseins-
formen, fußen will, muss an ihrem inneren
Widersinn scheitern. Jede andere religiöse
Mystik läuft auf das Credo quia absurdum
hinaus. Nur ein selbst unlogisches Denken
kann aber die innere Logik der Karma-
Lehre verkennen, weshalb der geniale
Skeptiker Hume ausdrücklich betonte, dass
sie allein nicht widerlegbar sei. Der
philosophische Materialismus hat daher
ganz recht, wenn er, andere Religionen mit
verächtlichem Mitleid behandelnd, seinen
heftigsten Hass gegen den esoterischen
Buddhismus (Occultismus) entladet, soweit
seine Unbildung überhaupt einige Kenntnis
dieses gefährlichsten Gegners gewann. Ein
Hauptmerkmal der indischen Theosophie
besteht ja gerade in ihrer naturwissenschaft-
lichen Basis, freilich »naturwissenschaft-
lich« in anderem und höherem Sinne, als
die Maulwurfswühlerei des Verlehrtenthums
ihre Theil- und Halb-Erkenntnisse auffasst.
Die ganze Evolutionstheorie steckt in
der Karma-Lehre geradeso wie die Syste-
matisierung der Causalität. Das transcen-
dente Ich, an sich ewig und untheilbar,
verfolgt die Stadien der Karma-Wanderung
nur deshalb, um aus jeder neuen Erfahrung
eines Lebens Schlüsse und Kräfte zur
Entwicklung seiner in sich unbewussten
latenten Potenz zu ziehen, welche ihm erst
durch die Anschauung ihrer Karma-
Wanderungen zum Bewusstsein kommt.
Auf welchem Wege sich die Umsetzung
in ein neues Karma vollzieht, muss uns
unterm Schleier der Maya verschlossen
bleiben. Doch nimmt der Occultist wohl
logisch an, dass sich der Entschluss zur
Willenswahl eines neuen Seins während
der Sterbestunde vollzieht und dann im
Interregnum nach dem Tode die Elemente
sich dazu vorbereiten. Jedoch muss die alt-
brahminische Vorstellung, dass die Wieder-
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geburten erst nach 1500 Jahren er-
folgen, als absurd und unlogisch ausge-
merzt werden. Dagegen betont H. P.
Blavatsky ausdrücklich, dass nicht nur
die Buddha-Naturen (bekanntlich weiß die
tibetanische Symbolik schon von 77 Budd-
has hintereinander), sondern auch weltliche
Genies, die zur Vorwärtspeitschung der
Menschheit nöthig, sich willkürlich immer
wieder verkörpern dürfen. Ebensowohl die
Bewohner von Devachan, der Vorstufe
des Nirwana, d. h. die wohllautreichen und
beschwingten Seelen der Dichter, Denker
und Künstler, soweit sie keine äußerlichen
Milieu-Talente, sondern Originalschöpfer
sind. Auf diese Weise erklärt sich auch das
Räthsel des »Genies«, das bekanntlich noch
nie aus Vererbungsmomenten erklärt werden
konnte, oft sogar im schroffsten Gegensatz
zu Familien-Antecedentien und -Umgebung
auftauchte.
Die »Vererbung« von den Eltern ist
überhaupt ein Trugschluss: das neu zu
erscheinende Wesen wählt sich selbst seine
physischen Erzeuger, um ihr Physisches
und ihr Milieu für sich zu erbeuten als
einen Bestandtheil des äußeren Karma.
(Alle Widersprüche der Vererbungstheorie
erklären sich so. Desgleichen auch der
heute noch bespöttelte, aber fast mathema-
tisch nachgewiesene Einfluss der kosmischen
Kräfte auf die Geburtsstunde, worüber
man die neueste englische Astrologie zu
Rathe ziehen wolle.) Der innerste Kern
des Individuums bleibt aber in jeder Form
der gleiche, nur unser schwaches Seh-
vermögen täuscht uns über die absolute
Identität verschiedener Erscheinungen, so
verschieden ihr äußeres Karma und oft
sogar die Ausdrucksform ist. Nietzsche
ahnte so etwas, als er in hinterlassenen
Aufzeichnungen über die ewige »Wieder-
kehr des Gleichen« eine halbe Bekehrung
zur Karma-Lehre anbahnte. Das »Gleiche«
kehrt jedoch nicht wieder, denn die
Causalität des Milieus bringt bei jeder
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