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sich der beifällige Trieb wohl dort nur,
wo er sich unbeachtet weiß in seiner laut-
losen Äußerung, oder wo er, den prüfenden
Blicken Vieler ausgesetzt, mehr Fertigkeit
als unbewusstes Drängen, sich künst-
lerisch gestalten muss, um überhaupt
gewertet zu werden. So ist das versteckte
Lächeln des Verliebten schön, weil in dem
kleinen Augenblicke der erwachenden und
vielleicht gleich wieder flüchtenden Liebe —
oft eine Secunde lang in einem ganzen
Menschenleben — selbst der blutrünstigste
Verbrecher von seelischer Anmuth gebän-
digt wird. Oder der Jubel des Künstlers
wird angenehm, weil sich im Lichtrahmen
der Bühne, im vertuschenden Spiel der
Strahlen und Schatten, selbst seelische
Anmuth durch artistische Intuition oder
ästhetische Erziehung vorgaukeln lässt.
Inmitten des Alltags aber, in den ver-
schiedensten, oft unverhofften Lebenslagen
und unter dem Anstoß der Erlebnisse
wird lediglich Der zu einem schönen
Jubel Kraft und Takt finden, wird lediglich
Der seinen beifälligen Trieben gehorchen
können, ohne hässlich zu werden,
der sich (etwa unter dem Einfluss schöner
Thaten, Bücher und Frauen) eine durchaus
zuverlässige Cultur der Instincte zu
eigen gemacht hat.
Auf dem Markte zumal wird er solche
Cultur nicht finden; in keiner jener
tausendfältigen Erscheinungsformen
und Spielarten des Marktes wird
er sie finden, die man Verein, Gesell-
schaft, Soirée, Theater, Festcommers,
Volksmeeting oder so ähnlich nennt; in
keiner jener (bürgerlichen, proletarischen
oder aristokratischen) Ansammlungen ge-
räuschvoller Interessenträger, die ihre
Freude feilhalten, wie man Knollen ver-
kauft. Darum wird Dem, der psychische
Anmuth hat, in den Augenblicken, da
er auf dem Markte verweilen muss, durch
den barbarischen Jargon dieses Marktes
jeder festliche Sinn verdorben. Ist das
enthusiastische Gefühl des Marktes, das
den Jargon entfacht hat, zufälligerweise
auch das seine, dann wird er das Vor-
dringliche, Anmaßende, Missgestaltete dieser
Barbarei als innerlichen Zwiespalt nur
umso schmerzlicher empfinden.
Wer ist nicht, möchte man die
Wenigen fragen, die irgendeinen seeli-
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schen Adel in ihrem Wappen führen,
wer unter euch ist nicht bisweilen, als
er inmitten eines Auditoriums den Er-
regungen der Scene folgte, durch das
fleischige Klitsch-Klatsch begeisterter
Nachbarhände in tiefste Empörung ge-
trieben worden? Wen hat nicht, da er
inmitten umständlich gekleideter Damen
einem leisen Andante und seiner eigenen
stillen Stimme lauschte, der klingelnde
Takt erbittert, den ein beohrringter Frauen-
kopf — auf dem Halse hin- und her
wippend — in einer vorderen Bankreihe
zu den Rhythmen der Töne schlug? Wen
hat nicht oft schon, da alles stumm war,
ein beifälliges Näseln benachbarter Logen
recht unliebsam erregt? Und ist euch im
Trubel gepferchter Gassen, inmitten der
Flaggen und schwitzenden Kappen, die
gleichsam gröhlend in die Lüfte flogen,
trotz gleicher Lust an Fest und Feier nicht
schon des öfteren jede Schönheit ge-
storben?
Da hat man vor kurzem in unserer
Stadt einen Greis gefeiert, den die Liebe
und Verehrung vieler Völker hochhält.
Und nun war es verwunderlich: zu sehen,
wie aus der gefälligen Stadt, die in der
königlichen Majestät ihrer weißen Archi-
tekturen einen wahrhaft erlauchten Ge-
schmack bekundet, urplötzlich drei Tage
lang ein Tummelplatz der erbärmlichsten
Geschmacklosigkeit wurde. Ein Fässchen
gutgemeinter Loyalität, das mit auf-
dringlichem Knall zerplatzte, barg hin-
länglichen Vorrath, die Schönheit alter,
schweigender Culturen fast über Nacht in
schwerfällige und schrille Barbarei zu
wandeln. Schwarzgallig und gelbsüchtig
war der Anblick, den die Perspective der
langen Straßenzüge darbot, so oft man,
um eine Ecke biegend, die langweilig
beflaggten Häuser in tiefer Flucht zu
beiden Seiten sah. Der Kirtag- und Schieß-
buden-Sti1, den uns die Decorationstechnik
der deutschen Gewerkschaften und Innungen
überliefert hat — längst schon ein todtes
Überbleibsel mittelalterlicher Gassen- und
Markt-Ästhetik — ward neuerdings, wie
stets bei ähnlichen Anlässen, in vordring-
lichster Weise lebendig!
Dies ist viel wunderlicher, als es
scheinen mag. Zumal in einer Stadt, die
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