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des Dichters befruchtete, sie ist die Bethä-
tigung einer in jeder Musik schlummern-
den latenten Kraft. Wenn nun auch der
poetisch-musikalische und der darstelle-
rische Ausdruck, jeder für sich genommen,
auf große Unterschiede in der Empfin-
dungsfähigkeit des Einzelnen stoßen, so
schaffen sie in ihrer von der Musik orga-
nisch vollzogenen Vereinigung wirkliches
Leben, das frei und unabhängig über den
individuellen Grenzen des Einzelnen steht;
denn dieses Leben wurzelt in dem innersten
Wesen der Erscheinung, und auf diesem
Gebiete, sobald der Gesammtausdruck alle
unsere Fähigkeiten umschließt, haben
persönliche Grenzen keine Geltung.
Es ist nicht nur unmöglich, die sieg-
hafte Gestaltungskraft des Lichtes dem zu
erklären und zu beweisen, der sie nicht
empfindet, sondern es ist sogar sehr schwer,
seine technische Handhabung und Verwen-
dung zu erörtern. Alle anderen Bestandtheile
des Werkes — der poetisch-musikalische
Text, der Darsteller, die Aufstellung—haben
ihrer Natur nach ein so verwickeltes und
bedingtes Dasein, dass es interessant und
nützlich war, es zu studieren; das Dasein
des Lichtes ist aber etwas zu unvergleich-
lich Naives, Einfaches, als dass es analytisch
zerlegt werden könnte. Nur mittelbar und
negativ, d. h. indem man den Missbrauch
zurückweist, welchen unsere modernen
Bühnen mit dem Lichte treiben, wird man
auf dem Erfahrungswege dahin gelangen,
die normale Thätigkeit dieses Factors
festzustellen. Die Gelegenheiten hiefür
fehlen uns wahrlich nicht; und gerade
jener Missbrauch mit seinen mannigfachen
Consequenzen ist die Hauptveranlassung
gewesen, dass die vorliegende Studie über-
haupt geschrieben wurde. Da ich also in
den verschiedenen Capiteln immer wieder
auf diesen Gegenstand zurückkommen muss,
so kann ich mich hier auf jene Begriffe
beschränken, welche die Beleuchtung uns
außerhalb ihrer thatsächlichen Verwendung
im Drama an die Hand gibt, und mir
vorbehalten, bei jeder sonst sich bietenden
Gelegenheit einen Ausblick auf die ge-
waltige Tragweite zu geben, welche dieses
Element im Zusammenhang mit den
übrigen Darstellungsfactoren gewinnt.
Die allgemeine Anlage der Beleuchtung
vollzieht sich erst gleichzeitig mit der-
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jenigen der Aufstellung. Denn es liegt auf
der Hand, dass keinerlei bleibende Ein-
richtungen für die Beleuchtung auf einer
Bühne getroffen werden können, deren
Boden und deren Raummaße außerhalb
jener vorübergehenden Erscheinungsform,
welche ihnen die Aufführung eines Dramas
verleiht, sozusagen nicht existieren. Doch
wie groß auch die Unmöglichkeit sei, im
voraus die Verwendung der Beleuchtung
zu bestimmen, und besonders sie aus dem
Spiele der übrigen Factoren vereinzelt los-
zulösen, so kann doch eine trennende
Grundlinie gezogen werden, denn sie
entspringt dem Verhältnis, in welchem
Tages- und künstliches Licht zu einander
stehen.
Das Tageslicht durchdringt die gesammte
Atmosphäre, ohne dass deshalb die Wahr-
nehmbarkeit seiner Richtung abgeschwächt
würde. Die Richtung des Lichtes kann
uns aber einzig durch die Schatten, die
es wirft, zum Bewusstsein kommen; die
Beschaffenheit des Schattens drückt uns
die Beschaffenheit des Lichtes aus. Während
jedoch das gleiche Licht, welches das All
durchdringt, auch die Schatten hervor-
zubringen vermag, so kann diese Allgewalt
auf künstlichem Wege nicht im selben
Maße erlangt werden. Keine in einem
dunklen Raum aufgestellte Lichtquelle wird
jemals Leuchtkraft genug besitzen, um
das zu schaffen, was man mit Helldunkel
bezeichnet, d. h. zugleich einen licht-
durchtränkten Raum und die mehr oder
weniger ausgeprägten, deutlich wahr-
nehmbaren Schlagschatten. Infolgedessen
wird die Gesammtbeleuchtung der Bühne
eine Zweitheilung erfahren müssen; wir
werden einerseits die der allgemeinen
Helligkeitsverbreitung dienenden Apparate
zur Verfügung haben, und andererseits die
Apparate, welche durch die genau be-
rechnete Richtung ihrer Strahlen jene
Schatten hervorrufen, aus welchen wir
auf die Natur des sie verursachenden
Lichtes schließen können. Wir wollen das
von den ersteren erzeugte Licht als »ver-
theiltes Licht« oder »Helligkeit«, das von
den letzteren ausgehende als »gestaltendes
Licht« bezeichnen.
Auf unseren heutigen Bühnen wird die
Beleuchtung gleichzeitig in vierfacher
Weise bewerkstelligt. Da sind: 1. die
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